Gleich drei touristische Juwele liegen
unweit von Tokio und laden zu ein- oder zweitägigen
Ausflügen ein: Nikko mit dem Tosho-Schrein, Kamakura,
die Hauptstadt der Militärherrscher im 12. und 13.
Jahrhundert, und der Fuji-san, der wohl schönste Vulkankegel
der Welt mit seinen fünf Seen und dem Hakone-Gebiet
voller heißer Quellen.
Nikko
Im Kontrast zu den eher schlichten Tempelanlagen Kamakuras
ist Nikko eine kompakte Prachtanlage mit barocker Farb- und
Formenfülle. Auch für das rund zwei Zugstunden
nördlich von Tokio gelegene Nikko sollte man sich möglichst
mehr als einen Tag Zeit nehmen, denn außer den Sehenswürdigkeiten
rund um die Hauptattraktion, den Tosho-Schrein, lockt der
angrenzende Nikko-Nationalpark mit Seen und Wasserfällen
in einer reizvollen Berglandschaft.
In Nikko selbst kommt man auf Schusters Rappen gut voran,
die Sehenswürdigkeiten liegen nahe beieinander. Die
Umgebung lässt sich per Bus oder Taxi erkunden. Sind Übernachtungen
eingeplant, ist es ratsam, schon in Tokio zu reservieren
(TIC).
Nikko, das heute rund 25000 Einwohner zählt, wurde schon
im 8.Jh. durch den buddhistischen Mönch Shodo bekannt;
auf seinen Spuren wandelt man hier auf Schritt und Tritt.
Richtig bekannt wurde es im 17.Jh., als Tokugawa Iemitsu
ein Mausoleum für seinen Großvater Ieyasu (gest.
1616), den ersten Tokugawa-Shogun, in Auftrag gab. Von 1634
bis 1636 sollen mehr als 100 000 Arbeiter und Künstler
mit dem Bau im Tosho-Schrein beschäftigt gewesen sein,
mehrere 100 Millionen Mark soll es verschlungen haben. Zur
Kasse gebeten wurden die Feudalherren, ein geschickter Schachzug
von Iemitsu: So sicherte er seinem Geschlecht ein für
die Ewigkeit bestimmtes Denkmal und verhinderte zugleich
einen Zuwachs von Reichtum und damit gekoppelter Macht bei
seinen Daimyo.
Erste Station bei einem Rundgang durch Nikko ist die rotlackierte,
6m breite Heilige Brücke (Shinkyo), die in einer Länge
von 27m den Daiya-gawa überspannt. Der Legende nach überquerte
Shodo an dieser Stelle den Fluß auf dem Rücken
zweier Schlangen. Wenn der Tosho-Schrein nicht gerade ein
Fest feiert, ist die Heilige Brücke der Öffentlichkeit
leider nicht zugänglich; dann kommt man über eine
parallel verlaufende moderne Brücke ans andere Ufer.
Für Nikko typische Kryptomerien (Sicheltannen) säumen
die Wege, die zu den Heiligtümern führen. Wie es
heißt, hat der an Bargeld knappe Feudalherr Matsudaira
Masatsuna 200 000 dieser edlen Bäume für die Mausoleumsanlage
gespendet, etwa 14 000 stehen heute noch.
Am anderen Ufer des Daiya liegen zunächst ein Schrein
und ein Tempel, Hon-gu und Shihonryu-ji, beide von Shodo
gegründet. Die Shodo-Statue im Tempel soll der vielbegabte
Mönch selbst geschnitzt haben.
Auch den Grundstein des benachbarten Rinno-Tempels (Rinno-ji),
dessen Gebäude im 17.Jh. erneuert wurden, legte Shodo.
Bemerkenswert ist hier vor allem die Sambutsudo, die 'Halle
der drei Buddhas': Drei 8m hohe Statuen stellen einen Amida-Buddha,
eine tausendarmige Kannon und die pferdeköpfige Bato-Kannon,
die Schutzgöttin der Tiere, dar. Die 13m hohe Bronzesäule
(Sorinto) auf dem Tempelgelände birgt 10000 buddhistische
Texte und wird als Symbol des Weltfriedens betrachtet.
Tosho-Schrein (Tosho-gu). Den Hauptzugang zum wichtigsten
Schrein Nikkos, ab 1617 erbaut, bildet am Ende einer steinernen
Treppe das Ichino-Torii, ein 8,4m hohes Granittor. Den Touristen
früherer Zeiten verwehrte es den Zutritt zum Schreingelände,
der nur den Hochgestellten des Landes gestattet war. Zur
Linken erhebt sich, rot und gold lackiert, die fünfstöckige
Gojunoto-Pagode (35m hoch).
Nach einer weiteren Treppenflucht erreicht man das Ote-mon,
auch Deva- oder Nio-Tor genannt: Zwei furchterregende Nio
(Tempelwächter) zu beiden Seiten des Portals halten
alles Übel in gebührendem Abstand.
Der anschließende erste Hof beherbergt drei heilige
Speicher und den heiligen Pferdestall. Der Stall fällt
ins Auge: Als einziges Gebäue ist er unlackiert und
stattdessen mit üppigen Schnitzereien geschmückt.
Darunter sind auch die drei weltberühmten Affen, die
nichts Böses hören, sagen oder sehen. Weniger berühmt,
aber ebenso sehenswert sind die geschnitzten Elefanten an
einem Speicher. Der Künstler Kano Tanyu (1602-1674)
soll diese damals in Japan unbekannten Wesen nach Beschreibungen
gestaltet haben.
Der Weg führt vorbei an einem heiligen Brunnen, an dem
man sich vor dem Schreinbesuch Mund und Hände reinigt,
an der Sutra-Bibliothek mit einer Sammlung von rund 7000
Bänden buddhistischer Schriften bis zu einem weiteren
Torii.
Über Treppen gelangt man dann in den mittleren Hof.
Zu sehen sind hier ein Glocken- und ein Trommelturm sowie
die rekonstruierte
Halle Yakushido, deren Decke ein Drachenbild ziert. Ein Kuriosum
im mittleren Hof ist eine von der niederländischen Regierung
gestiftete Bronzelaterne, die einen kleinen Schönheitsfehler
hat: Das Wappen der Tokugawa-Familie (Malvenblätter)
steht versehentlich auf dem Kopf! Vielleicht aber tut man
den Spendern Unrecht und die Umstellung wurde mit weiser
Absicht vorgenommen - schließlich hat man auch eine
Säulenverzierung am Yomei-mon, das vom mittleren in
den inneren Hof führt, vorsätzlich verkehrt herum
angebracht, damit die perfekte Schönheit nicht den Zorn
der Götter errege.
Das Yomei-mon ist auch unter dem Namen 'Dämmerungstor'
(Higurashi-no-mon) bekannt, weil sich der Betrachter von
diesem prächtigen Anblick bis zum Einbruch der Dämmerung
nicht lösen kann. An diesem Tor scheiden sich die Geister:
Dem einen gilt es mit seiner üppigen Ornamentik und
der verschwenderischen Farbenpracht als das schönste
Tor Japans, der andere fühlt sich ob des ausufernden
Prunks nahezu erschlagen.
Den eigentlichen Zugang zur Gebetshalle (Haiden) bildet das
in dezenten Türen gehaltene Kara-mon ('Chinesisches
Tor'). Gebetshalle und Haupthalle (Honden) sind durch einen Übergangsraum
miteinander verbunden.
Der Misora-dono-Schrein im Inneren der Haupthalle ist Wohnstädte
der Seelen von Tokugawa Ieyasu sowie der Feldherren Toyotomi
Hideyoshi und Minamoto Yoritomo, die als Gottheiten verehrt
werden. Durch einen rotlackierten Korridor gelangt man zu
einer Tür, über der das Relief einer schlafenden
Katze eingelassen ist, das dem Bildhauer Hidari Jingoro zugeschrieben
wird. Die Katze sei so lebensecht, sagt man, daß sich
auf dem gesamten Tempelgelände nie eine Maus blicken
lasse.
Hinter dem ebenfalls mit Schnitzereien verzierten Sakashita-mon
führen 207 Steinstufen zum Grabmal des Tokugawa Ieyasu
inmitten eines Zedernhaines.
An das Gelände des Tosho-Schreins schließt sich
westlich der Futarasan-Schrein (Futarasan-jinja) an, der
Gottheit des Nantai-Vulkans gewidmet und möglicherweise
im 8.Jh. auch von Shodo gestiftet.
Gebaut wurde er 1619. Bei Nacht, so heißt es, ist Vorsicht
geboten: Eine der Bronzelaternen verwandelt sich dann in
ein Gespenst!
Rund 200m weiter westlich liegt das Mausoleum von Iemitsu
(Daiyu-in). 16 Jahre nach dem Tosho-gu errichtet, folgt die
Anlage diesem Vorbild, ist aber im Ganzen schlichter gehalten.
Kunstexperten schätzen vor allem die fünf Tore
Nio-mon, Nite-mon, Yasha-mon, Kara-mon sowie das Koka-mon
im Stil der chinesischen Ming-Dynastie. Der Hauptschrein
verkörpert am deutlichsten die Architektur der Edo-Zeit.
Nikko-Nationalpark
Es wäre schade, hätte man nach der Besichtigung
der Hauptsehenswürdigkeiten in Nikko keine Zeit mehr
für die umgebende Landschaft. Mit Seen und Wasserfällen,
Hochmooren, mächtigen Bergen und uralten Zedern ist
der rund 1400km2 große Park eine der vielbesuchten
Regionen Japans.
Um nur einige der Attraktionen zu nennen: Die Irohazaka-Straße
ist wegen ihrer 50 Haarnadelkurven nach den ursprünglich
50 japanischen Alphabetzeichen benannt. Der Kegon-Wasserfall
gilt als einer der schönsten Japans. Am Ostufer des
Chuzenji-Sees wartet das gleichnamige Städtchen mit
heißen Quellen auf. Der erloschene Nantai-Vulkan (2485m)
kann zwischen dem 5.Mai und dem 15.September bestiegen werden
(ab Chugushi am Chuzenji-See oder ab Shizu am nördlichen
Fuß des Berges, jeweils ca. 4Std.).
Lohnend ist auch ein Abstecher ins Museumsdorf Edo Mura in
Kinugawa-onsen, nördlich von Nikko gelegen. Hier werden
die Tage des Tokugawa-Shogunats wieder sehr lebendig: Straßenhändler
und Samurai in historischen Kostümen, Gerichtsverhandlungen,
Schwertfechten oder Tanzdarbietungen von Yoshiwara-Kurtisanen
lassen fast vergessen, daß man sich im ausgehenden
20.Jh. befindet.
Wie immer man sich auch entscheidet, zumindest ein kurzer
Nikko-Aufenthalt ist eigentlich unerlässlich. Denn ein
japanisches Sprichwort meint: "Sage niemals kekko (großartig),
bevor Du nicht in Nikko warst!"
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